Buckarts Ehemalige


"Kleine Fabel", Franz Kafka
"Ach", sagte die Maus, "die Welt wird immer enger mit jedem Tag. Zuerst war sie so breit, dass ich Angst hatte, ich lief weiter und war glücklich, dass ich endlich rechts und links in der Ferne Mauern sah, aber diese langen Mauern eilten so schnell aufeinander zu, dass ich schon im letzten Zimmer bin, und dort im Winkel steht die Falle, in die ich laufe" - "Du musst nur die Laufrichtung ändern", sagte die Katze und fraß sie.

Bewertungszettel Es gibt Lehrer, die entweder gemocht und respektiert oder gefürchtet und gehasst werden. Selten findet sich ein Mittelmaß, und genau das ist der Fall bei unserer damaligen Klassenlehrerin Frau Buckart. Diese Dame hat einen gewaltigen Eindruck bei allen Schülern hinterlassen und wird, ob gewollt oder ungewollt, vielen lange in Erinnerung bleiben.

Frau Buckart, der "Zynismus in Stiefeln", die Frau mit dem "eisernen Herzen", die "Emanze", all das sind Bezeichnungen, die in den Mündern vieler Schüler kursieren. Wir geben zu, dass in jeder dieser Bezeichnungen ein Funke Wahrheit enthalten ist, doch es ist leichter, nur negative Aspekte einer Person herauszuheben und dabei die positiven zu ignorieren.

Man kann sich schwer ein exaktes Bild von Frau Buckart machen, wenn man nur eine kurze Zeit bei ihr Unterricht hatte. Schon eher gelingt es, wenn man wie wir sechs Jahre von ihr unterrichtet wurde. Um sich einen Eindruck von Frau Buckart zu verschaffen, blicken wir auf das Jahr 1988 zurück, das Jahr unserer Anmeldung am Heinrich-Heine-Gymnasium. Neugierige und wissbegierige Fünftklässler freuten sich auf die gymnasiale Schullaufbahn. Keiner wusste, was auf ihn zukommen würde. Mit umso größerer Spannung wurde daher die erste Unterrichtsstunde erwartet. Da erschien sie, Frau Buckart, die aufgrund ihrer kleinen Statur, die der unseren gleichkam, sogleich das Gefühl des Vertrauens und der Geborgenheit vermittelte. Doch schnell stellten wir fest, dass diese Person mehr geben konnte, als nur das Gefühl des Aufgehobenseins. Dieser Frau war die Aufgabe zueigen, uns über sechs Jahre hinweg der deutschen Sprache zu befähigen. Fleiß und Denkvermögen waren Anforderungen, die sie an jeden Einzelnen stellte. Als wir dies erkannten, fühlten sich viele wie die kleine Maus in Kafkas "Kleine Fabel". Der Zustand der Unsicherheit und Orientierungslosigkeit trat ein. Es war der Zwang "weiterzulaufen", denn ein Zurück gab es nicht mehr. Diejenigen, die die Richtung weiter einschlagen wollten, wurden von der Katze gefressen. Jedoch unterscheidet sich Frau Buckart von Kafkas Katze in einem Punkt erheblich. Während die Katze die Maus zur Richtungsänderung bewegte, forderte Frau Buckart, den eingeschlagenen Weg zuende zu führen. Auf dem Weg, auf dem sie uns sechs Jahre lang begleitete, verspürte jeder von uns die Krallen der Katze, ob es sich dabei um das ständige Vorlesen von Hausaufgaben handelte, die selten eines Lobes würdig, sondern eher ihrer zynischen Kritik ausgesetzt waren: "Der Aufsatz ist engstirnig und intolerant!", oder um die Schweißausbrüche, die eintraten, wenn Frau Buckart einen von uns willkürlich an die Tafel rief, um Aufsätze oder Hausaufgaben vorzuführen und dabei ihren Kommentar äußerte: "Tja, anscheinend ist bei dir nicht viel von meinem Unterricht hängen geblieben!". Jeder von uns wies Katzenspuren auf! Erst mit den Jahren erkannten wir, dass ihre hohen Anforderungen und ihre oft schroffen "Kritiken" nicht mit Bosheit und Machtdemonstration zu tun hatten, sondern lediglich als Hilfestellung dienten, um uns klar zu machen, dass man vor allem durch Fleiß und Wissensaneigung das sich selbst gesetzte Ziel erreicht.

Vielen Dank für Ihr Engagement!

Anges Izban und Aleksandra Neric´


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